alternatives café & anarchistische bibliothek

Kassenaneignung

Liebe Freund*innen,

im Nachgang zu den Geschehnissen rund um den „Diebstahl“ unserer Ladenkasse vor einigen Wochen finden wir es wichtig, noch einige Dinge klarzustellen bzw. zur Sprache zu bringen.

Zuallererst ist uns wichtig zu erwähnen, dass unsere erste Reaktion in sozialen Netzwerken der ursprünglichen Frustration über den Vorfall entsprungen ist und damit leider (wie bereits in diesem Text angekündigt) natürlich keine vollständige Reflexion des Ereignisses darstellen konnte. Wir haben uns einige Tage Zeit für eine reflektierte Bewertung des Vorfalls genommen und sind dabei unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, dass der Tonfall der Wortmeldung nicht angemessen war. Insbesondere für die Verwendung sprachlicher Sexismen möchten wir uns auf diesem Wege bei allen Leser*innen entschuldigen. Wir werden den Text trotzdem aus Transparenzgründen auf unserer Facebookseite belassen, da es uns unaufrichtig erscheint, so tun zu wollen, als sei das nicht passiert. Zur inhaltlichen und gesellschaftlichen Bewertung gibt es mehrere Teilaspekte zu beleuchten:

 

Regelverstöße, Aneignung und Bewertung individueller Notlagen

Die eigenmächtige Aneignung der Ladeneinahmen möchten wir zunächst nicht als gesellschaftlichen bzw. gesetzlichen Regelverstoß bewerten, daher erscheint uns der Begriff des „Diebstahls“ für diese Betrachtung ungeeignet. Wir erkennen durchaus den Widerspruch, das Konzept des Privateigentums als gesellschaftliches Konstrukt abzulehnen und gleichzeitig Eigentum an finanziellen Einnahmen eines kollektiven Ortes zu beanspruchen.

Wir streben als Anarchist*innen ein gesellschaftliches Konzept an, in dem es keine Notwendigkeit an individuellem Eigentum mehr gibt und das stattdessen auf gegenseitigem Respekt und bedingungsloser Solidarität beruht. In einer solchen Gesellschaft sollte es selbstverständlich sein, dass Menschen, die finanzielle Probleme oder individuelle Notlagen haben, hierfür Hilfe von solidarischen Menschen erhalten, ohne darum bitten zu müssen oder deswegen zu außergewöhnlicher Dankbarkeit verpflichtet zu sein. Wir streben eine Gesellschaft an, in der es selbstverständlich ist, sich gegenseitig zu unterstützen, ohne Vorbedingung, ohne gesellschaftliches Stigma oder Ähnliches.

In welcher Lage sich die Person/en befunden hat/haben, die sich die Ladenkasse angeeignet hat/haben, wissen wir nicht. Wir möchten uns daher kein Urteil über die Motivation anmaßen und ein solches steht unserer Meinung nach weder uns, noch anderen notwendigerweise zu.
Direkt an diese Person/en gerichtet möchten wir dazu lediglich sagen:

Auch wenn wir nicht wissen, was dich/euch zu diesem Schritt bewegt hat und wir noch lange nicht in der oben beschriebenen Gesellschaft leben, hätten wir uns gewünscht, dass du/ihr in einer solchen Situation auf uns zugekommen wärt und uns auf die wie auch immer geartete Situation angesprochen hättet.

Wir verstehen uns als solidarisches Kollektiv und wir sind uns sicher, dass es eine andere Lösung gegeben hätte, mit der sowohl uns einige Probleme, als auch dir/euch einiges an Belastung erspart geblieben wäre. Uns ist bewusst, dass in der aktuellen gesellschaftlichen Situation mit einem solchen Schritt oberflächlich erst einmal viel Scham und Stigma verbunden sein kann. Allerdings wünschen wir uns, dass grade Orte wie das malobeo solche Probleme solidarisch und ohne diese gesellschaftlichen Lasten lösen können.

Wir sind uns sicher, dass auch du/ihr euch mit der Situation nicht wohl fühlt und uns liegt viel daran, selbige zu lösen.

 

Problemstellung sozialer Spannungen im Ladenkollektiv

Viel mehr als das (lösbare) finanzielle Problem, dass für das malobeo durch diese Aneignung entstanden ist, belastet das Kollektiv derzeit die soziale Problemstellung, die dadurch entstanden ist.

Seit diesem Vorfall drehen sich viele der Gespräche im Kollektiv um Spekulationen rund um das Wie, Wer und Warum der Aneignung. Uns ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass die Verursacher*innen verstehen, dass es hauptsächlich diese Belastung ist, die durch ihr Handeln entstanden ist.

Des Weiteren weist einiges darauf hin, dass die Person/en, die sich die Kasse angeeignet haben, sich im Laden auskannten, sich also vermutlich in irgendeiner Art und Weise mit dem malobeo identifizieren. Wir sind uns sicher, dass das auch bedeutet, dass diese Person/en sich der Auswirkungen ihres Handelns mehr oder weniger bewusst sind. Das kann aus unserer Sicht nur bedeuten, dass es zumindest irgendeine Art von Unwohlsein auch auf deren Seite geben muss. Aktuell befinden sich also alle Beteiligten hauptsächlich auf sozialer Ebene in einer Situation, in der es niemandem wirklich gut mit der Situation geht.

Wir glauben allerdings, dass es auch hierfür Lösungsansätze gibt, die im Folgenden vorgeschlagen werden sollen:

 

Lösungsansätze

Um die oben genannten Probleme zumindest ansatzweise lösen zu können, haben wir als Ladenkollektiv die folgenden Lösungsansätze entwickelt, freuen uns aber natürlich auch über eure Anregungen, Ideen und solidarische Kritik.

Uns ist weiterhin wichtig, die Beweggründe der betreffenden Person/en verstehen zu können, insbesondere um die Aneignung auch für uns einordnen zu können.

Außerdem können wir uns vorstellen, dass die Entscheidung zu einem solchen Schritt einer (wie auch immer gearteten) Notlage entsprungen sein kann und möchten den Person/en und allen anderen Menschen gegenüber deshalb nochmal bekräftigen: Wenn ihr in individuelle Notlagen geratet, bitte sprecht uns an. Es gibt (nicht nur im Ladenkollektiv) viele Menschen, die euch unterstützen können und wollen. Wenn wir eine solidarische Gesellschaft anstreben, in der Menschen, die sie brauchen, auch Unterstützung bekommen, dann müssen und wollen wir insbesondere in Zusammenhängen, wie dem malobeo, solche Werte auch leben. Wir können nur nach Lösungen suchen, wenn wir die Probleme kennen. Sicher gibt es im Kollektiv Menschen, denen ihr vertraut. Wendet euch an diese und wir sind uns sicher, dass sich alle Probleme irgendwie lösen lassen.

Wenn dies von den Person/en gewünscht wird, würde es uns natürlich einiges erleichtern, wenn ihr/du bereit wärt, das Geld (oder einen Teil davon), gern auch anonym zurückzugeben.
Unser konkreter Vorschlag dazu sieht folgendermaßen aus:

Wir haben mit Mitarbeiter*innen des Kulturbüros Sachsen vereinbart, dass diese als neutrale Stelle, auf Wunsch auch anonym, Statements zu dem Vorfall und/oder Geld entgegen nehmen. Die Ansprechpartner*innen werden dann unter Wahrung ihrer Schweigepflicht mit euch abstimmen, ob ihr euch in der Lage seht und es für sinnvoll haltet, eure Beweggründe darzulegen, mit Teilen des Kollektivs oder allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen bzw. wie ihr euch wünscht, dass mit der Situation weiter verfahren wird.
Wir möchten nochmal bekräftigen:

Wir verurteilen niemanden für diese Aneignung. Wir hegen keinen persönlichen Groll. Wir möchten lediglich euch/dir und natürlich auch uns, einen Ausweg aus dieser belastenden Situation ermöglichen. Wenn ihr dieses Angebot nicht wahrnehmen wollt, dann ist auch das in Ordnung.
Auch wenn wir es fast für überflüssig halten das zu erwähnen:

Die Cops geht diese ganze Angelegenheit natürlich einen Scheiszdreck an und das bleibt auch so, egal wie es jetzt weiter geht.

 

Danke für eure Solidarität

Der Vorfall hat mittlerweile wirklich weite Kreise gezogen und wir sind ein bisschen überwältigt von der Solidarität, die uns seitdem zuteilgeworden ist.

Dank großzügiger Spenden konnten wir trotz allem die Miete für den Laden weiter zahlen und wir sind froh sagen zu können, dass das alles dank euch keinen Einfluss auf den Fortbestand des Ladens haben wird. Dafür an dieser Stelle ein herzliches: DANKE!

Nichtsdestotrotz haben wir noch immer ein erhebliches „Loch“ in der Ladenkasse und mussten uns für anderweitige Kosten wie Strom, Getränke etc. Geld von privaten Unterstützer*innen leihen (auch hierfür nochmal vielen Dank!).

Wenn ihr uns weiterhin unterstützen wollt, kommt vorbei und bringt euch ein oder spendet wenn ihr könnt. Desweiteren sind wir dabei ein Vereinskonto zu eröffnen um Spenden auf diesem Wege zu ermöglichen. Haltet euch bei Interesse einfach bei uns auf dem Laufenden.
Vielen Dank an euch alle für eure Unterstützung.

Das malobeo-Team

 

Ansprechbar:

Kulturbüro Sachsen Fachstelle Jugendhilfe – Demokratiewerte gegen Rechtsextremismus

Danilo Starosta

Bautzner Str. 45

01099 Dresden

Telefon: 0351 – 563 556 30

danilo.starosta@kulturbuero-sachsen.de