alternatives café & anarchistische bibliothek

Basiskonsens – Entwurf

Am 03.09.2017 um 14:00 Uhr findet im Malobeo das nächste Gesamtplenum aller AGs und Einzelpersonen statt. Dort soll unter Anderem entschieden werden, ob, wann und unter welchen Umständen der reguläre Betrieb des Ladens wieder aufgenommen werden kann.
Dazu wurde beim letzten Gesamtplenum festgestellt, dass es eines verbindlichen Basiskonsenses bedarf, also eines Textes, aus dem hervorgeht, was das Malobeo sein soll, welche Ziele der Ladenbetrieb verfolgt und auf welchen Prinzipien dieser basieren soll.

Damit alle die Gelegenheit haben, an einem solchen Text mit zu wirken, ist in der AG „Inklusion“ in gemeinsamer Arbeit ein Text entworfen worden, der am 03.09.2017 zur Abstimmung gestellt werden soll. Dieser Entwurf, soll, so es denn gewünscht wird, auch noch ergänzt und verändert werden können.

Zu diesem Zweck wird der Entwurf vorab hier veröffentlicht. Wenn ihr dazu Anmerkungen habt, Ergänzungen machen wollt oder Aspekte korrigiert werden sollen, notiert euch diese bitte und bringt sie am 03.09.2017 mit oder aber kommentiert sie unter diesen Text.

Unter dem Text findet ihr Fußnoten, die erklärungsbedürftige Begriffe erläutern sollen. Diese werden in der Endversion nicht unter dem Text stehen, sondern aus diesem heraus auf einen seperaten „Glossar“ verlinkt sein. Der Text lautet wie folgt:

Das malobeo ist ein selbstorganisierter gesellschaftlicher Freiraum. Er soll Raum bieten, um Alternativen zur herrschenden Gesellschaftsordnung  zu entwickeln, zu erproben und zu leben.
 
Der folgende Text besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil thematisiert den aktuellen Ist-Zustand der Gesellschaft in der wir leben. Im zweiten Teil wird der konkrete Gegenentwurf wie wir ihn leben wollen gezeichnet. Demnach folgt der Analyse die Utopie, der Versuch Gesellschaft gleichberechtigt und auf Augenhöhe zu gestalten.
 
Die herrschende Gesellschaftsordnung
Die herrschende Gesellschaft ist geprägt von Verwertungslogik. Gesellschaftliche Entscheidungen werden gemessen an wirtschaftlichen Faktoren wie Preis und wirtschaftlicher Nutzbarkeit. Die Leistungs- und Verwertungslogik zwängt die Menschen ein, zwischen wirtschaftlichem Leistungsdruck und Gehorsam.
Die Gesellschaftsordnung interessiert sich nicht für die Gleichwertigkeit der Menschen. Sie beutet die natürlichen Ressourcen aus, sie verbraucht und verschwendet sie. Gesellschaftliche Teilhabe und die Rolle in der Gesellschaft hängen von wirtschaftlicher Be- und Verwertbarkeit und vermeintlicher „Leistungsfähigkeit“ ab. Diese Gesellschaftsordnung drängt Menschen in die Rollen von Konsument*innen und „Humankapital“. Sie überwacht uns, durchdringt in Form von Digitalisierung, Kontrolle und allgegenwärtiger Werbung jeden Winkel des Lebens. Sie zwingt uns zu funktionieren und zu gehorchen, uns selbst zu unterdrücken und dies als Freiheit zu empfinden.
Unser Wert als Individuen bemisst sich an der Verwertbarkeit für die wirtschaftliche Logik. Anhand dieses Kriteriums definiert sich dogmatisch, was als „normal“, „gut“, „böse“ und „gefährlich“ gilt. Menschen werden in Schubladen eingeordnet, abgegrenzt und ausgegrenzt. Die gesellschaftliche Ordnung errichtet Barrieren und hält diese bewusst aufrecht. Sie grenzt uns voneinander ab durch Sprachbarrieren, Wissenshierarchien, körperliche Unterschiede, finanzielle Benachteiligung und andere willkürliche Kriterien. Die Gründe hierfür werden bei den Betroffenen gesucht, nicht bei der gesellschaftlichen Logik oder den Aggressor*innen. Die grundlegenden Fehler in der Art, wie diese Gesellschaft organisiert ist, werden auf jene projiziert, die unter ihnen leiden und sie werden zu deren eigener Schuld erklärt. Das ist der Komplex aus „Eigenverantwortung und Freiheit“, den uns die herrschende Ordnung diktieren will.
Die ständige Konfrontation mit diesen gewalttätigen Umständen, mit der systemeigenen Gewalt und den systemeigenen Hierarchien spüren wir jeden Tag. Wir spüren sie, wenn wir ohne Geld nicht an der Gesellschaft teilhaben dürfen, wir spüren sie, wenn uns das Dach über dem Kopf und das Notwendigste zum Leben entzogen werden, weil wir nicht dafür bezahlen können und sie zwingt uns in eigentlich ungewollten Widerstand. Der Kampf gegen diese Umstände ist keiner der gerne, aus Spaß oder zum Selbstzweck geführt werden sollte. Er ist ein notwendiges, aufgezwungenes Übel und die einzige Möglichkeit, das Leben für alle lebenswert zu gestalten.
Diese gesellschaftlichen Zwänge umgeben uns permanent, wir sind mit ihnen aufgewachsen und können ihnen nie vollständig entfliehen. Sie finden sich daher auch im täglichen Miteinander wieder und wir selbst werden dadurch mitunter zu Aggressor*innen. Wir üben diese Zwänge gegen uns und andere aus. Wir grenzen uns voneinander ab, lassen den Respekt, die Rücksicht und das Mitgefühl füreinander vermissen und es fehlt uns an Verantwortungsbewusstsein, für uns, für alle Menschen und für die Welt, in der wir leben.
Die Logik hält uns gefangen in einem statischen System, in einem festgefahrenen „Normalzustand“ und verkauft uns diese Gesellschaft als die beste aller Welten, die ultimative Ordnung und das Ende der Geschichte.
 
All diese Aspekte der Gesellschaft, wollen wir überwinden. Das malobeo soll ein konkreter Gegenentwurf zu den gesellschaftlichen Umständen werden: 
 
Das malobeo als Gegenentwurf
Das Malobeo ist ein Kollektiv und als solches offen für alle, die sich an seine Prinzipien halten. Alle können mitmachen und sich einbringen. 
Wir wollen einen Schutzraum schaffen, also eine Zuflucht und eine Rückzugsmöglichkeit bieten, vor der herrschenden gesellschaftlichen Logik und ihren (un-)mittelbaren Auswirkungen auf uns Individuen. Der Wert von Individuen ist für uns unabhängig davon, woher sie kommen, wie viel Geld sie haben, wie sie aussehen, wen sie lieben und welchem „Geschlecht“ sie sich zuordnen.
Wir wollen solidarische Alternativen zu bestehenden Verhältnissen aufzeigen, uns gegenseitig helfen, uns hinterfragen, kritisieren und uns immer wieder neu inspirieren und motivieren.
Wir wollen zeigen, dass eine andere, eine bessere Art miteinander zu leben möglich istsie ausprobieren und leben.
Wir wollen einen politischen Raum schaffen, der auf uns und unsere Umgebung wirken kann.
 
Wir bauen Barrieren zwischen Menschen bewusst ab und akzeptieren die Individualität aller Menschen mit ihren Stärken und Schwächen.
Das malobeo soll ein diskriminierungsfreier Raum sein. Auch wir sind in einer Welt der Ungleichwertigkeiten aufgewachsen und müssen uns unserer eigenen Vorurteile und Privilegien bewusst werden, mit ihnen umgehen lernen und sie zu überwinden versuchen. Dazu gehört auch, die Ursache von Diskriminierung nicht in den Diskriminierten zu sehen, sondern in den diskriminierenden Personen, ihren Handlungen und nicht zuletzt den Verhältnissen, die sie umgeben. Dazu gehört Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Wir pflegen einen solidarischen, rücksichtsvollen und respektvollen Umgang miteinander, achten aufeinander und schützen uns gegenseitig.
Wir versuchen, einen fehlerfreundlichen und konstruktiven Umgang miteinander zu finden. Auch Kritik äußern wir wertschätzend. Wer Kritik erfährt, muss diese nicht annehmen, sollte sie aber reflektieren und über sie nachdenken. Dadurch lernen wir voneinander und miteinander. Jede*r ist mit dafür verantwortlich, dass sich alle im Laden wohlfühlen.
 
Als Alternative zu den bestehenden Verhältnissen wollen wir einen hierachiefreien Raum schaffen, in dem wir miteinander auf Augenhöhe agieren. Wir wollen allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe und Mitwirkung jenseits von Be- und Verwertung ermöglichen. Das Malobeo ist kein Konsumangebot, sondern eine Einladung zur Teilnahme. Das heißt  auch: Wer sich im malobeo aufhält ist gleichberechtigter Teil des Kollektivs. Alle bringen sich im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten ein. Alle tragen zum Laden bei, was sie können und wollen. Für die Rolle im Laden und das Gewicht von Meinungen und Positionen spielt es keine Rolle, wie viel jede*r Einzelne beiträgt.
Wir treffen Entscheidungen im Konsens und berücksichtigen die Bedürfnisse einzelner Personen und der Gruppe als Ganzes. Keine Entscheidung kann gegen den Widerspruch einer Einzelperson getroffen werden.
Jede*r soll individuelle Entfaltungsmöglichkeiten vorfinden. Wir sind offen für neue Menschen und neue Ideen. Wir verstehen das malobeo als Prozess. Dieser Prozess ist nie abgeschlossen, er entsteht in unserem gemeinsamen Engagement immer wieder neu, jeden Tag und jede Minute.
 
Als politischer Raum ist das malobeo offen für politische und gesellschaftliche Diskurse, Gruppen und Veranstaltungen. Wir arbeiten offensiv darauf hin, die beschriebene Form der Selbstorganisierung in andere Lebensbereiche zu übertragen. Wir geben uns nicht damit zufrieden, eine Insel in den bestehenden Verhältnissen zu sein, sondern wollen ein erfolgreiches Beispiel dafür werden, dass eine gerechte und freie Gesellschaft möglich ist.
Wir wollen die Kämpfe aller emanzipatorischen Gruppen verbinden und unser aller Vereinzelung überwinden. Wir leben Solidarität, wo immer wir können. 
Uns ist bewusst, dass verschiedene Kompromisse mit den bestehenden Verhältnissen mitunter nötig sind. Auch wir müssen für Strom, Wasser und die pure Möglichkeit diese Räume zu nutzen, bezahlen. Wir tragen die Folgen dieser Kompromisse solidarisch und zusammen und wir hinterfragen sie immer aufs Neue.
Wir wollen uns mit diesen Kompromissen nicht abfinden. Wir wollen uns mit dieser Welt, wie sie ist, nicht abfinden. Das malobeo ist Bestandteil des Kampfes für eine andere, eine bessere Gesellschaft, für ein gutes Leben für alle und für die Freiheit aller.
 

Fußnoten: (Erklärungen zu schwierigen Formulierungen in der Reihenfolge, wie sie im Text auftauchen)

 
Die Erklärungen beinhalten eine kurze Begriffserklärung, sowie eine weiterführende Erläuterung im politischen Kontext
 
Verwertungslogik/Verwertung:
„Verwertungslogik“ bezeichnet die Beurteilung von nahezu allem an wirtschaftlichen Maßstäben.
 
So werden z.B. politische Entscheidungen oder gesellschaftliche Prozesse danach bewertet, was sie wirtschaftlich scheinbar „einbringen“. Etwa wird bei der Entscheidung über die Aufnahme von Geflüchteten, nicht danach bewertet, ob Menschen Schutz brauchen, wie es ihnen geht, oder warum sie fliehen. Viel mehr ist entscheidend, was ihre Versorgung kostet, welchen Nutzen sie als Arbeitskräfte haben oder ob sie sonst irgendwie wirtschaftlich „nützlich“ sind.
Denkbar sind auch andere Verwertungen. Z.B. die Bewertung von Menschen nach ihrem Aussehen. So werden bspw. oft „Frauen“ danach bewertet, welchen „Nutzen“ sie vermeintlich als Sexobjekt oder durch ihre Attraktivität haben.
Kritisiert wird hier, dass der Wert von Individuen danach beurteilt wird, was sie „nützen“. Das kann dazu führen, dass Individuen selbst grundlegende Rechte abgesprochen werden, etwa ihre Würde oder sogar das Recht zu leben.
Die Gleichwertigkeit von Menschen und dass alle Individuen das gleiche Recht auf ein gutes, selbstbestimmtes und freies Leben haben, werden in dieser Logik ignoriert oder zumindest hinten angestellt.
 
Konsument*innen:
Als Verbraucher*in oder Konsument*in wird eine Person bezeichnet, die eine oder mehrere Waren oder Dienstleistungen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse käuflich erwirbt.
 
Konsument*in ist eine Rolle, die Menschen in einem Wirtschaftssystem zugewiesen wird. Sie werden als potenzielle Käufer*innen von Waren und Dienstleistungen betrachtet. Ihr Wert in der Gesellschaft kann sich unter Anderem daran bemessen, wie viel sie kaufen, was sie kaufen und wie viel Geld sie ausgeben.
Das ist ein weiterer Weg, den Wert von Menschen daran zu beurteilen, was sie für eine Rolle in der Wirtschaft spielen. Neben ihrem Wert als Arbeitskraft, sind sie potenzielle Käufer*innen.
Beispielsweise spielen Menschen, die lange keiner Lohnarbeit nachgehen können oder wollen, trotzdem eine Rolle als potenzielle Käufer*innen. Das ist ein Grund, warum im aktuellen System auch Menschen eingeplant werden, die als Arbeitskräfte scheinbar keine Rolle spielen.
Auch das ist ein rein wirtschaftlicher Maßstab für den Wert von Menschen und wird von uns deshalb kritisiert.
 
„Humankapital“:
„Humankapital“ ist ein menschenverachtender wirtschaftlicher Begriff. Er ordnet Menschen einen wirtschaftlichen Wert zu, der sich in Geld ausdrücken lässt.
 
Als „Humankapital“ wird im Allgemeinen der Gesamtwert eines Menschen als potenzielle Arbeitskraft bezeichnet. Er umfasst den Geldwert der Arbeit und das Potenzial von Ideen und Kreativität. Er addiert alles zusammen, was ein Mensch als Arbeitskraft potenziell leisten kann und rechnet es in Geld um.
Menschen werden hier praktisch zur Ware und ihr Wert wird in Kapital ausgedrückt. Menschenwürde, Charakter und soziale Faktoren spielen keine Rolle.
Wir meinen, der Wert von Individuen lässt sich nicht in Geld bemessen. Menschen sind mehr als Wirtschaftsfaktoren und ihr Wert hängt nicht von ihrer Arbeitskraft ab.
 
Digitalisierung:
„Digitalisierung“ bezeichnet das Vordringen von Technologie in sämtliche Lebensbereiche. Lebensbereiche verlagern sich in virtuelle Wirklichkeiten, etwa soziale Medien oder das Internet allgemein.
Das führt in den herrschenden Verhältnissen dazu, dass wir immer und überall verfügbar sind. Wir können überwacht werden, weil unser Leben mit wenig Aufwand zugänglich ist. Digitalisierte Aspekte unseres Lebens sind dadurch auch leichter gezielt beeinflussbar, z.B. dadurch, dass unser Zugang zu Wissen und Inhalten eingeschränkt oder in bestimmte Richtungen gelenkt wird. Ein Beispiel dafür ist, welche Inhalte uns bei Suchanfragen präsentiert werden.
Welche Auswirkungen das hat, hängt stark davon ab, wie wir digitale Technik nutzen. Außerdem sind digitale Wirklichkeiten natürlich auch ein Abbild der Gesellschaft als Ganzes. Die herrschende Gesellschaftsordnung beeinflusst sie deshalb maßgeblich.
 
Kriterium:
Ein Merkmal das bei der Auswahl zwischen Objekten oder Personen oder generell bei Entscheidungen relevant (entscheidend) ist.
 
dogmatisch:
Eine Position, die dogmatisch gehalten wird, betrachtet man selbst als unverrückbar richtig und wahr. Der Inhalt dieser Position steht in der eigenen Wahrnehmung fest. Die Person, die diese Position hat, kann oder will sie nicht hinterfragen oder hinterfragen lassen. Kritik an dieser wird oft als persönlicher Angriff empfunden oder führt zu Aggression. Es wird also der Anspruch auf Kritiklosigkeit und unumstößliche Wahrheit erhoben.
 
Sprachbarrieren:
Sprachbarrieren entstehen dadurch, dass Menschen die benutzte Sprache nicht oder nicht vollständig verstehen. Unterhalten sich Menschen in ihrer Muttersprache, schließt das Andere aus, die diese nicht vollständig verstehen. Schon wenn Menschen eine Sprache unterschiedlich gut sprechen, kann das passieren, weil sie Dinge unterschiedlich verstehen und wahrnehmen.
Sprachbarrieren vollständig zu überwinden ist deshalb schwer. Sie können aber durch eine gemeinsame Sprache oder Übersetzungen abgemildert werden. Ideal wäre eine Sprache, die alle Beteiligten nahezu gleich gut sprechen und verstehen. Hierfür kann es sinnvoll sein, in einer Sprache zu kommunizieren, die von keinem Beteiligten die Muttersprache ist.
 
Wissenshierarchien:
Wissenshierarchien entstehen durch unterschiedlichen und nicht gleichberechtigten Zugang zu Informationen. Sie ergeben sich in den herrschenden Verhältnissen bereits durch einen nicht gleichberechtigten Zugang zu Bildung.
In politischen Zusammenhängen entstehen sie oft dadurch, dass Menschen Fähigkeiten bewusst oder unbewusst nicht weitergeben. So kann bspw. die alleinige Fähigkeit, einen gemeinsamen Mail-Account zu bedienen, zu starker Kontrolle darüber führen, wie über diesen kommuniziert wird. 
Gleichberechtigung kann dadurch gefördert werden, dass man dieses Wissen weitergibt. Entscheidend ist dabei, dass alle zumindest gleichberechtigt die Möglichkeit haben, sich zu informieren.
 
Aggressor*innen:
Aggression ist eine feindselig angreifende Verhaltensweise. Dafür ist es im Zweifel entscheidend, ob sich eine Person vom Verhalten der Aggressor*in angegriffen fühlt, nicht ob die Aggressor*in ihr Verhalten selbst als übergriffig empfindet.
 
Projektion:
Projektion bezeichnet im psychologischen Sinne einen (unbewussten) Vorwurf. Es handelt sich um einen Abwehrmechanismus. Dabei werden eigene Konflikte oder Schuldgefühle auf das Gegenüber übertragen und verlagert.
Ursachen für gesellschaftliche Missstände werden etwa bei den Betroffenen gesucht oder ihnen zum Vorwurf gemacht.
 
Komplex:
Vielschichtige Struktur oder Zusammenhang
 
„Eigenverantwortung und Freiheit“:
Zwei Grundsäulen in der herrschenden „liberalen“ Gesellschaftsordnung. Dahinter steckt die Vorstellung, dass alle Menschen (nur) für sich selbst verantwortlich sind. Die Ideologie umfasst auch, dass eine ideale Gesellschaft allein dadurch entsteht, dass alle Menschen sich um sich selbst und ihren eigenen Vorteil sorgen.
Alle Menschen dürfen in dieser Vorstellung tun und lassen was sie wollen und sind nur sich selbst verpflichtet. Gegenseitige Rücksichtnahme und Solidarität ist nicht notwendig. „Freiheit“ entsteht dadurch, den eigenen maximalen Vorteil anstreben zu dürfen. „Gerechtigkeit“ bedeutet, dass „Leistung“ im Sinne der Wirtschaft, und nur diese, zu guten Lebensumständen führt. Schlechte Lebensumstände liegen damit in der eigenen Verantwortung, sind also (vereinfacht) die eigene Schuld.
 
systematische/systembedingte/systemeigene Gewalt:
Dieser Begriff bezeichnet die Gewalt, die bereits in den herrschenden Umständen steckt. Ein greifbares Beispiel ist etwa die körperliche Gewalt durch Kriege oder auch durch Cops und ähnliche Staatsdiener*innen.
Systematische Gewalt kann aber auch in Diskriminierung und Bedrohung bestehen. So bedroht uns die wirtschaftliche Ordnung z.B. mit dem Entzug der Lebensgrundlagen. Können wir keine Miete zahlen, verlieren wir das Dach über dem Kopf, haben wir nicht genug Geld, bekommen wir nichts zu Essen. Unser Wert als Individuen und unsere Teilhabe an der Gesellschaft kann uns weggenommen werden, wenn wir nicht mehr nützlich sind.
 
statisches System:
Ein System, dass sich nicht verändern oder verändern lassen will. Bewegung oder grundlegende Umgestaltung werden nicht zugelassen. Ein solches System wird im Allgemeinen als bestmögliches angesehen. Es ist angeblich am Ende seiner Weiterentwicklung angekommen und wird oft auch als „Ende der Geschichte“ bezeichnet.